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Von Konrad Oberhuber

Wer die großen monumentalen Triptychen von Irene Zaharoff zum ersten Mal sieht, wie etwa "elementar", reagiert wahrscheinlich mit einem Ausruf des Erstaunens. Einen so radikalen Kontrast von dunklem Blau und hellem Gelb, tiefem Orange und sattem Rot findet man in der heutigen Malerei selten. Er wird gesteigert durch die lebendige Leuchtkraft dieser Farben und durch ihre expressive Gestik, die Ruhe des Blaus, das blitzhafte Aufleuchten des Gelb und die statischere Haltung von Rot und Orange. Dabei schweben die durchlichteten Farben frei im Raum wie Himmelserscheinungen und heben den Betrachter aus der eigenen Leibesschwere heraus in eine Sphäre freier Farbgeistigkeit. Trotz der verwendeten Ölfarbe fühlt man nie die übliche Dichte und Materialität dieses Mediums, weil die Leuchtkraft nicht durch die Dicke des Farbauftrages, sondern durch eine Vielfalt dünnster Lasuren übereinander erzielt wird. Nicht in allen Werken werden die Farbpolarität und die Farbgestik so sehr gesteigert und pointiert präsentiert. In Gemälden wie "mehr gegen den Rand der Welt zu" sind die Töne gedämpfter und die Farben werden in kleineren Flächen aufgetragen und vermitteln so einen ganz anderen Eindruck, nämlich den eines wohligen Eingebettetseins in ein kosmisches Ganzes. Dazwischen gibt es bei Irene Zaharoff viele Abstufungen des Zusammenwirkens von lichtdurchdrungener Farbe, die vom Himmlischen auch mehr in das Irdische, Steinhafte, Landschaftliche führen können und schließlich auch Arbeiten, in denen das Malmaterial selbst zum Sprechen kommt. Diese Seite ihres Schaffens wird vor allem bei den Werken auf Papier besonders deutlich. Hier arbeitet die Künstlerin vor allem mit den Strukturen, die die wasserlöslichen meist braunen oder schwarzen Pigmente beim Trocknen auf der Unterlage annehmen. Die verschiedene Dichte der Mischung, die größere oder geringere Löslichkeit der mineralischen oder pflanzlichen Stoffe und die Saugkraft des Papiers werden bewusst als formgebende Mittel eingesetzt.

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Der Pinsel dient mehr dazu, diesen Prozess zu leiten, als um selbst von sich aus gestaltend zu wirken. Dabei entstehen erstaunliche meist an Landschaften erinnernde Bildungen, die manchmal auch mit Versen eines befreundeten Dichters, Buh-Kutzli, verbunden wurden, der diese selbst in die Werke einschrieb und so die poetische Wirkung der Werke unterstrich. Man kann dabei an ostasiatische Malerein und Dichtwerke denken. Irene Zaharoff stellt sich mit solchen Werken in die große Tradition von Papierarbeiten, für die Antoni Tapiez und Joseph Beuys bahnbrechend waren und bringt in diese Richtung eine ganz eigene Sensibilität für die Natur ein. Seit der Revolution um 1900 gegen die damals vorwiegend repräsentative Kunst wird die Forderung, das Material selbst zum Sprechen zu bringen, in der Kunst immer stärker, vor allem im deutschen Expressionismus. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts drängt diese Forderung auch immer mehr zur Verwirklichung. In Österreich z.B. hat Max Weiler viel mit den Qualitäten seiner Temperafarben gearbeitet und ihren Gesten in seinen Bildern viel freien Raum gegeben.

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Was die Eigenständigkeit der Farben betrifft, war es am Beginn des Jahrhunderts vor allem der auch von Beuys verehrte Rudolf Steiner gewesen, der auf den Beobachtungen zum Farbcharakter bei Goethe aufbauend die Forderung stellte, dass in Zukunft die Farbe die Form bestimmen müsse, nicht die Linie, wie es die akademische Tradition, und selbst noch Matisse, der große Kolorist, verlangten. Die befreiten Farben und Materialien, fügen sich dann, wie Weiler dies dann in den sechziger Jahren beobachtete, zu naturnahen und spirituellen Gebilden. Irene Zaharoff folgt in ihrem Werk in besonders radikaler Weise diesen neuen Forderungen an die Kunst und bereichert sie durch ihre tiefe meditative Einfühlung in Pflanzen, Landschaften und Tiere. Sie kommt damit zu den oft Erstaunen auslösenden Ergebnissen, die wir eingangs beschrieben.

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KONRAD OBERHUBER

1935 in Linz geboren, studierte Konrad Oberhuber Kunstgeschichte in Wien, Köln und Rom.

Von 1961 - 1971 war er an der Albertina in Wien tätig, wohin er 1987 als Direktor zurückkehrte.

Dazwischen war er an der National Gallery in Washington beschäftigt und unterrichtete am Institute for Advanced Studies in Princeton und zwölf Jahre an der Universität Harvard.​​

Anyone seeing Irene Zaharoff's monumental Triptyches for the first time, as something elemental, will probably react with a gasp of surprise. These days it is rare to find such a radical contrast between dark blue and light yellow. deep orange and rich red. This contrast is enhanced by the vivid luminosity of these colours and by their expressive character: the calmness of the blue, the sparkling brightness of the yellow and the more static demeanour of the red and orange. At the same time the luminous colours hover freely in space like celestial phenomena, lifting the observer from the heaviness of body into a sphere of free spiritual colour.

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Despite the use of oils we never feel the usual denseness and solidity of this medium because the luminosity is not achieved through a thick application of paint but through diverse layering of the thinnest varnishes. The polarity and gestures of colour are not enhanced and presented with equal emphasis in all works. In paintings such as "mehr gegen den Rand der Welt zu" the colour tones are more subdued and the paints applied in smaller areas, and the impression thus produced is quite different - a comfortable nestling into the cosmic whole.

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Irene Zaharoff's works demonstrate many variations in the way luminous colours work together, from the celestial to the more earthy, stony realm of landscapes, and even works in which the painting media themselves are given a voice. This aspect of her work is particularly visible in her works on paper. Here the artist works principally with the structures formed by the evaporation of mostly brown or black water-soluble pigments on the base material. The varying densites of mixture, the greater or lesser solubility of the mineral or plant material, and the absorbency of the paper, are used deliberately as structural method.

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The brush serves rather as a guide to this process than as an independent creative agent.

And in this way the most astonishing creations - mostly reminiscent of landscapes - come to life, sometimes coupled with the poems of the artist's friend and poet Buh-Kutzli, who personally wrote his verses into the paintings, emphasising their poetic effect. One is reminded of east-Asian paintings and poetry. Through such works Irene Zaharoff forms part of the great paperwork tradition pioneered by Antoni Tapiez and Joseph Beuys, and she adds to this tradition a particularly individual sensibility towards nature.

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Since the revolution around 1900 against the then predominantly representative art, the demand to let the material itself speak has become stronger and stronger in the arts, particularly in German expressionism. In the second half of last century this demand was answered to an increasing extent. In Austria, for example, Max Weiler experimented extensively with the qualities of his tempera colours and gave their gestures plenty of free space in his paintings.

As for the autarchy of colour, it was principally the well-respected Rudolf Steiner - revered also by Beuys - who, at the beginning of last century, demanded that in future colour and not line should determine form. Rudolf Steiner was referring to J.W. von Goethe's observations about the character of colour, whereas the academic tradition, and even the great colourist Matisse, demanded that form be determined by line.

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As Weiler observed in the sixties, liberated colours and materials then formed naturalistic and spiritual creations. In her works, Irene Zaharoff pursues in a particularly radical way these new demands of the arts and enriches them by her deep sensitivity towards plants, landscapes and animals. It is in this way that she arrives at the often quite astonishing results which we described at the beginning.

 

Konrad Oberhuber, born in Linz in 1935, studied art history in Vienna, Cologne and Rome.

From 1961 - 1971, he was employed in the Albertina/Vienna, where he returned as director in 1987, In the years between, he worked at the National Gallery in Washington and taugh at the Institute for Advanced Studies in Priceton and for twelve years at Harvard University.

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